Vibrationsplatte Studienlage: Was sagen Studien wirklich über die Wirkung?
Immer wieder liest man von beeindruckenden Effekten durch Vibrationstraining: Muskelaufbau, Gewichtsreduktion, mehr Gleichgewicht, bessere Durchblutung. Doch was ist dran an diesen Versprechen? Gibt es wissenschaftliche Belege für die Wirkung von Vibrationsplatten – oder ist das Ganze nur ein Fitness-Mythos? Wir haben uns die aktuelle Studienlage für dich angeschaut.
Wie funktioniert eine Vibrationsplatte eigentlich?

Kurz gesagt: Die Platte erzeugt mechanische Schwingungen im Frequenzbereich zwischen 15 und 50 Hz, die über die Fußsohlen auf den gesamten Körper übertragen werden. Diese Vibrationen lösen tonische Vibrationsreflexe (TVR) aus – unwillkürliche Muskelkontraktionen, die über Dehnungsreflexe ausgelöst werden. Der Körper versucht ständig, das Gleichgewicht zu halten – das aktiviert insbesondere tiefliegende stabilisierende Muskeln. Schon kurze Einheiten führen dabei zu einer hohen neuromuskulären Aktivierung.
Was sagen Studien zur Wirkung von Vibrationsplatten?
Muskelaufbau & Kraft
Zahlreiche Studien zeigen, dass Vibrationstraining Kraftparameter wie die maximale isometrische Beinstreckkraft positiv beeinflusst – besonders bei untrainierten Personen oder in der Rehabilitation. Roelants et al. (2004) fanden bei jungen Frauen nach 24 Wochen Vibrationstraining eine signifikante Verbesserung der Muskelkraft im Vergleich zur Kontrollgruppe, ohne zusätzliches Krafttraining [1].
Eine Studie von Fort et al. (2012) untersuchte die Auswirkungen von Vibrationstraining auf junge Elite-Basketballspielerinnen. Nach 15 Wochen zeigten sich deutliche Verbesserungen der Sprunghöhe (bis zu 10%) sowie der posturalen Kontrolle im Vergleich zur Kontrollgruppe [7].
Gewichtsreduktion & Stoffwechsel
Vibrationstraining allein ist kein Ersatz für Diät oder Ausdauertraining, kann aber die Energiebilanz verbessern. Vissers et al. (2010) führten eine randomisierte Studie mit übergewichtigen Erwachsenen durch. Die Vibrationstrainingsgruppe verlor signifikant mehr viszerales Fett als die reine Diätgruppe [2].
Gleichgewicht & Sturzprophylaxe
Bei älteren Erwachsenen kann Ganzkörpervibration das statische und dynamische Gleichgewicht verbessern – und somit das Sturzrisiko reduzieren. Eine systematische Übersichtsarbeit von Sitjà-Rabert et al. (2012) zeigte signifikante Verbesserungen bei Gleichgewichtstests (z.B. Timed Up & Go, Berg Balance Scale) in den Interventionsgruppen [3]. Die Wirkmechanismen beinhalten unter anderem die Aktivierung propriozeptiver Reflexe und eine verbesserte neuromuskuläre Koordination.
Eine weitere Studie belegt signifikante Verbesserungen der isokinetischen Beinstreckkraft sowie des Short Physical Performance Battery (SPPB)-Scores durch Vibrationsplattentraining im Vergleich zur Kontrollgruppe [8].
Knochen- und Gefäßgesundheit
Einige Arbeiten deuten auf eine Osteogenese-fördernde Wirkung bei postmenopausalen Frauen hin, insbesondere bei niederfrequenten, seitenalternierenden Geräten. Jedoch ist die Studienlage inkonsistent. Auch positive Effekte auf die periphere Durchblutung wurden beschrieben (z.B. durch Erhöhung der Hauttemperatur oder Nitratoxid-Freisetzung), jedoch meist nur kurzfristig untersucht.
Was sagen Metaanalysen und systematische Reviews?
- Rauch et al. (2010) fanden moderate Evidenz für positive Effekte auf Muskelkraft und Gleichgewicht bei älteren Erwachsenen [4].
- Martins et al. (2017) zeigten, dass die Effekte bei adipösen Personen stark variieren – je nach Gerätetyp, Frequenz und Interventionsdauer [5].
- Lau et al. (2011) betonten, dass Studien zu Gleichgewicht und Kraftzunahme bei Senioren insgesamt als robust gelten können – trotz methodischer Heterogenität [6].
Fazit: Die Wirkung hängt stark von Zielgruppe, Geräteeigenschaften, Frequenz, Amplitude und Interventionsdauer ab.
Kritikpunkte: Wo liegen die Grenzen der Forschung?
- Viele Studien haben kleine Stichproben (n < 50)
- Keine Standardisierung von Frequenz, Amplitude, Dauer oder Interventionsdesign
- Schwierigkeiten bei Placebo-Kontrolle
- Häufig kurzfristige Studiendauern (4–12 Wochen)
- Interessenkonflikte bei herstellerfinanzierten Studien
Deshalb: Nicht jede Vibrationsplatte wirkt gleich – und nicht jede Studie ist auf jede Zielgruppe übertragbar.
Fazit: Bringen Vibrationsplatten wirklich was?
In der Gesamtschau: Ja – insbesondere für bestimmte Zielgruppen. Die Studienlage spricht für positive Effekte bei Muskelkraft, Gleichgewicht und Körperkomposition – insbesondere bei älteren Menschen, in der Rehabilitation und bei Inaktiven. Als ergänzende Trainingsmethode sind Vibrationsplatten durchaus sinnvoll, wenn sie gezielt und regelmäßig eingesetzt werden. Wer langfristige Effekte erzielen möchte, sollte das Training mit Bewegung und Ernährungsmaßnahmen kombinieren. Ein individuell passendes Gerät und eine professionelle Einweisung sind empfehlenswert.
FAQ zur Studienlage
Sind Vibrationsplatten wissenschaftlich belegt?
Ja – insbesondere für Muskelkraft, Gleichgewicht und Körperkomposition gibt es Studien mit positiven Ergebnissen.
Warum widersprechen sich manche Ergebnisse?
Weil die Studien sehr unterschiedliche Bedingungen, Geräte, Frequenzen und Probandengruppen nutzen.
Wie finde ich seriöse Studien?
PubMed.org oder Google Scholar. Achte auf randomisierte kontrollierte Studien (RCTs), Metaanalysen und Peer-Review.
Ist die Wirkung bei allen Geräten gleich?
Nein. Frequenzbereich, Vibrationsart (seitenalternierend vs. vertikal), Amplitude und Steuerung machen einen Unterschied.
Funktioniert Vibrationstraining auch ohne Muskelkater?
Ja. Muskelreiz erfolgt durch reflektorische Kontraktionen, die nicht zwangsläufig Muskelkater verursachen.
Quellen
[1] Roelants, M., Delecluse, C., Verschueren, S. (2004). Whole-body-vibration training increases knee-extension strength and speed of movement in older women. Journal of the American Geriatrics Society, 52(6), 901–908.
[2] Vissers, D., Verrijken, A., Mertens, I., et al. (2010). Effect of long-term whole body vibration training on visceral adipose tissue: a preliminary report. Obesity Facts, 3(2), 93–100.
[3] Sitjà-Rabert, M., et al. (2012). Effects of whole body vibration exercises on balance and gait in elderly people: a systematic review. Maturitas, 72(3), 206–213.
[4] Rauch, F., et al. (2010). Reporting whole-body vibration intervention studies in children with disabilities: Recommendations for trial reporting. Journal of Musculoskeletal & Neuronal Interactions, 10(2), 167–176.
[5] Martins, W.R., et al. (2017). Effects of whole-body vibration on body composition in obese adults: a systematic review. Obesity Reviews, 18(4), 419–427.
[6] Lau, R.W., et al. (2011). The effects of whole body vibration therapy on bone mineral density in postmenopausal women: a systematic review and meta-analysis. Osteoporosis International, 22(9), 2919–2930.
[7] Fort, A., Romero, J. A., Bagur, C., & Guerra, M. (2012). Effects of whole-body vibration training on explosive and balance performance in young elite female basketball players. International Journal of Sports Physiology and Performance, 7(4), 360–365.
[8] Sañudo, B., et al. (2021). Effects of whole-body vibration training on physical function in older adults: A randomized controlled trial. International Journal of Environmental Research and Public Health, 18(12), 6662.